Kritiken

DEPECHE MODE – Playing the angel (CD/Mute) – Info: www.depechemode.com

Nach dem geschmackvollen ReleaseParty-Wochenende möchte ich Euch nicht länger meine subjektive Einschätzung des neuen DEPECHE MODE Albums vorenthalten. Sicher hat jeder von uns schon mit dem ein oder anderen diesen Silberling persönlich diskutiert. Das neue Werk „Playing the angel“ weckte mit der Vorabsingle „Precious“ große Erwartungen, ebenfalls taten dies hier und da gesetzte Hinweise, wie das neue Album denn werden würde. Vorab gesagt: Ich bin nicht völlig begeistert von PTA, aber es ist zumindest auch keine Enttäuschung. Man bleibt sich treu. Allerdings, von einer Weiterentwicklung kann man keinesfalls sprechen - die verwendeten Stile sind alle im Rahmen der vorherigen zehn Alben bereits aufgetreten, als größte Parallele hier zu nennen: „Songs of faith and devotion“ aus dem Jahre 1993; ja, leider nicht die „Violator“, wie es viele in unseren musikalischen Breitengraden erhofften und auch wünschten. Ein klares Positivum ist trotzdem, daß es keine weitere Kommerzialisierung gab und das Album insgesamt runder klingt als noch „Exciter“.

Nun aber in die Einzelkritik: Mit „A pain that I´m used to“ geht das Album wie mit einem heulenden F1-Boliden mit dauerndem Drehzahlwechsel los, was dann im Song folgt, ist aber gänzlich anders, eine Midtempo-Nummer, eine gute Eröffnung, sehr tanzbar, aber mich nervt vor allem in diesem Song Daves´ Hang, das letzte Wort in jedem Satz unnötig überzubetonen, in die Länge zu ziehen. Man bekommt fast den Eindruck, Dave Gahan möchte uns damit neu von seinem Gesang überzeugen, dabei befinde ich, daß er andere Passagen viel besser beherrscht. Damit nicht genug, in „John the revelator“, dem Song, bei dem die Meinungen wohl am meisten divergieren, versucht er sich an einer Elvis-Nummer, also, ich mag die Sounds in diesem Liedgut durchaus, aber der Gesang, vor allem im Kehrreim, der uns ebenfalls mit Gospelanteilen bedroht, ist einfach grausam...
Mit „Suffer well“ kommt der Aufschwung: Begrüßt mit einem typischen AND ONE-Sound [ohne Absicht zu unterstellen...] wird der Song von einem treibenden Beat getragen, dem leider, wie oftmals bei PTA, zu langweilige Akustikgitarren beigemischt wurden. Ein Hauptmanko des Albums, einfach zu oft wird die geniale Elektronik von zu viel Gitarrengezupfe vergewaltigt. Trotzdem ist „Suffer well“ ein Favorit, der sich aber erst nach häufigem Hören herauskristallisierte.
Stück vier, „Sinner in me“, ging da einen anderen Weg, gefiel mir ob der Arrangements und auch dem Gesang wie Text auf Anhieb. Ebenfalls besticht dieser Song durch mehrfache Tempiwechsel, überraschende Wendungen, dürfte aber aufgrund dessen auf der Tanzfläche keine leichte Kost sein, der gestörteste Track.
Bei Lied Nr. 5 verweise ich auf die MCD-Kritik, „Precious“, das insgesamt auf PTA tanzbarste und verbindlichste Stück. Dieses Mal hat man im Gegensatz zu „Dream on“ tatsächlich den am besten geeigneten Song für die erste Single erwischt. :)
Mit „Macrovision“ folgt das erste Martin L. Gore-Stück, leider ist dieses ein Schwachpunkt. Man möge mir verzeihen, aber Martin klingt nach dem Klagegesang einer Katze, penetriert den Hörer mit viel zu theatralischem Gesang. Nach ein paar „Genüssen“ muß man einfach den Skipknopf bemühen.
„I want it all“ geht zum Glück wieder in eine andere Richtung, eine angenehme Dave-Ballade, die trotz der Länge von über 6min nicht annervt, das perfekte „Gute-Nacht-Lied“.
Daß dies beim normalen Fortlauf aber nicht passiert, dafür sorgt „Nothing´s impossible“, wobei dies ebenfalls keine Hochtempo-Geschichte ist, aber beatlastiger, druckvoller. Textlich mutmachend, daß es immer weiter, auch aufwärts, geht, selbst wenn es manchmal anders erscheint. Eine merkwürdige Mischung aus Trauer und Aufschwung.
„Introspectre“, das einzige Instrumentalstück, hätte man auch als "B-Seite" einer kommenden Maxi verbraten können, eine harmlose Klimperei.
Mit „Damaged people“ schließt sich der bessere Martin L. Gore-Track an, erinnert vom Soundgewand ein wenig an ein ruhiges ERASURE-Stück. Eine Abmischung für seichtere Stunden, aber durchaus hörenswert.
So dann geht es noch mal ab, mit „Lilian“ folgt ein absoluter Ohrwurm, der sich klar für eine Singleauskopplung anbietet. Unwiderstehlich prescht der Rhythmus nach vorne, schnell wird man sich anschließend beim Mitsingen ertappen. Wobei dieser Song leider auch einige gesanglich mittelmäßige Teile aufweist, die aber immer wieder von genialen Sequenzen abgelöst werden. Vor allem der wechselnde Beat im Hintergrund begeistert. Zum Ende mündet man in einen, man höre und staune, FRONT 242-Synthesizer-Sound...wobei ich nun nicht mehr ganz auf den Track aus dem älteren Repertoire der belgischen EBM-Götter komme...sehr nett.
Das Ende ist nah: DIE epochale Hymne von PTA beschließt endgültig dieses neue Machwerk der englischen Kultband, war vermutlich zudem aufgrund der hier enthaltenen Textstelle namensgebend. Über nahezu sieben Minuten breitet sich „The darkest star“ aus, kommt dabei nicht ganz an den brachialen Charakter des „Violator“-Abschlußes „Clean“ heran, erinnert aber mit seinen zwischenzeitlich bombastischen Schlägen stark an dieses. Auf einer großen PA einfach ergreifend, fesselnd. Nur laut muß es sein!

Wie schon in den ersten Zeilen angedeutet, erreicht „Playing the angel“ für mich lange nicht die 90er „Violator“, wobei es doch im nachhinein betrachtet illusorisch war, dies zu erwarten. PTA begeistert durchaus streckenweise, besitzt aber einige Schwachpunkte, wie z.B. das o.g. zu häufige Verwenden von Akustikgitarren. Zudem beeinflussen Dave Gahans [nicht so prickelnde] Solopfade gesanglich wie musikalisch manche Male den Weg. Aber eins ist sicher: PTA ist weit besser, als die von Martin und Dave zuletzt bestrittenen Soli. Und wenn man sich die ein oder andere Perle heraussucht, kann man mit diesem Material durchaus Party feiern. Man sollte ehrlich zu sich sein und als alter DM-Fan keine neuerlichen Wunder erwarten – was man aber erwarten darf, ist eine fulminante Welttournee – im Januar 2006 geht es auch in Deutschland los! :).

H-Punkte 5,0 [Skala 1- 6]

DJHorn

 


SCOOTER – Hello! (Good to be back) (MCD/Edel) – Info: www.scootertechno.com

Da sind sie wieder – wie es der Titel dieser Maxi auch schon aussagt. SCOOTER läuten das nächste Kapitel ihrer mittlerweile 12jährigen Bandgeschichte ein. Und wie! Die neue Single „Hello! (Good to be back)“ ist eine krachende und gewaltige Nummer, die zwar anfangs den typischen SCOOTER-Drive besitzt, dann jedoch im Refrain plötzlich in eine fast nostalgische 80er Stimmung umschwenkt. Der Gesang erinnert hier ein wenig an HUMAN LEAGUE. Das Tempo reißt unwahrscheinlich mit. Sehr gelungen auch die trancigen Passagen, so dass dieser Song zu einem Rundumerlebnis wird. Lediglich der KLF-Sample am Anfang wirkt etwas „einfallslos“ – denn er wurde nichtmal „bearbeitet“ – quasi der exakt gleiche Beginn wie bei „3 A.M. eternal“. Der Clubmix ist - wie gewohnt - sehr gelungen. Hier verzichtet man auf die Shoutings von Frontmann H.P. BAXXTER. Dafür gibt es viel mehr trancige Einlagen in dieser Version. Optimal für den Einsatz im Club. Der Bonustrack „Path“ ist sehr krank und stumpf und erinnert an „Crank it up“ – beweist uns trotzdem, wie vielseitig diese Band sein kann, abseits der kommerziellen Pfade! Insgesamt eine gelungene Maxi-CD. Ich freu mich aufs Album!

H-Punkte 5,0 [Skala 1- 6]

Le-Rav

 


TO AVOID – Voyage into the past! (CD/Dark Wings/SPV/COP) – Info: www.toavoid.de

Schon vor Wochen fiel mir die nun erschienene Erst-CD von TO AVOID auf, und das soll im Wust der ganzen Zusendungen schon was heißen...dabei vermag ich nicht mal genau zu deklarieren, wieso eigentlich. Selbst heute, nachdem ich „Voyage into the past“ mehrfach zu mir nahm, ist eine genau Definition schwer; die Synthis erinnerten mich wohl tatsächlich an „Anguish“ von AND ONE, was dem ein oder anderen nach Sichtung sicher hirnverbrannt erscheinen wird. Das Werk des Duos wirkt unfertig, minimal, manchmal brachial, aber dabei immer ein wenig retrospektiv, positiv altbacken. Und dies, obwohl der Gesang von M.A.R.C. durchaus einem der Haupttrends dieser Zeit folgt, will sagen durch einen Vocoder o.ä. geschickt wurde, um dann irgendwo zwischen SUICIDE COMMANDO und :WUMPSCUT: herauszukommen; ein kleines Manko, weil diese Variante viel zu ausgemerzt ist. Das Geheimnis von TO AVOID ist, daß alles zwar wie „schonmal wo gehört“ klingt, aber die genaue Zuordnung der diversen Stilelemente zumeist mißlingt - die Kombination aus einer Vielzahl dieser Stilelemente ist dabei das gewinnbringende Rezept, birgt den Charme dieses Silberlings. Das Sprachsampling ist ebenfalls als gelungen zu bezeichnen, sind Samples z.B. aus „Matrix“ auch nicht [mehr / oder waren es noch nie] kreativ – und genau da komm ich wieder zum o.g. Punkt – so sind sie aber in einem meiner Favoriten, „Cyberworld“, absolut passend eingebracht. Weitere Anspieltips, wenn auch die Nennung Probleme bereitet, da die CD wirklich durchgehend unterhaltsam ist: „Last resort – suicide“ /„Wake up“. Reinhören sollte Euer Ziel sein, wenn Ihr auf gute elektronische Musik mit Retroelementen steht.

H-Punkte 4,5 [Skala 1- 6]

DJHorn



STILLSTE STUND – Blendwerk Antikunst (Promo-EP/AIW) – Info: www.stillstestund.de

WAU! Allein der Name dieser Band sieht nicht nach einer typischen Horn-Rezi aus, STILLSTE STUND? Da kann man doch nur einen Verriß erwarten :)!!? Aber nein, die Promo-EP, die einige Stücke des gleichnamigen Albums enthält, ist wirklich GUT. Und das schreibt ein scheiß EBMler....
Was genau ist nun an dieser Partiellscheibe gut? Zuerst kam das alte DAS ICH–Gefühl in mir hoch, als ich seinerzeit großer Fan von „Gottes Tod“ war, fick, ist das lange her, leider schaffte DAS ICH niemals wieder, daran anzuschließen, im Gegenteil. Aber nun wieder zu STILLSTE STUND: Man könnte diese Band als Genremix bezeichnen, sind die Texte auch Tiefstklischee, so kann einfach der Sound begeistern, ist nahbar und somit schnell im Blut, dazu sorgen Arrangements nahe den EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN für angenehme Unterhaltung. „Kein Mittel gegen dieses Gift“ ist für mich vom Rhythmus her zwar eine 1:1 Kopie von LAKAIENS „Lass mich“, aber erinnern wir uns, gerade dieser DEINE LAKAIEN -Song hatte am ehesten Anrecht auf einen EBM-Berechtigungsschein.
Düstere Musik mit glasklaren Elektronikanteilen und Klischeegesang, immerhin. Alten Recken wir mir fällt da wieder ein, daß in den frühen 90er oftmals Werke der damaligen DarkWave usw. usf. Fraktionen bei mir und anderen eher EBMorientierten Herr- und Frauschaften Gefallen fanden – hatte man tatsächlich fast vergessen, ob des Drecks, der im letzten Jahrzehnt an Klischescheiße auf uns einprasselte, deswegen ein klares: WEITER SO! Herzerfrischend!

H-Punkte 4,0 [Skala 1- 6]

DJHorn

 

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